In den Reichenberger Rechnungen der Kellner Heinz von Ackerbach (1425), Konrad (Kontz) Letsche (1427-1455) und Klaus Kochel (1479) werden in Ein- und Ausgaben die Dörfer Kasdorf, Ruppertshofen, Oelsberg, Bogel, Auel, Wallmenach, Nastätten, Offenthal, Bornich, Patersberg, Weyer, Himmighofen, Zorn, Hilgenroth, Winterwerb und Lierschied genannt.
Zu den Aufgaben des Amtmannes
oder Oberamtmannes gehörten Beurkundungen bei Kaufverträgen, Steigbriefen, Schlichtung von Grenzstreitigkeiten, Genehmigung von Baulichkeiten, Anlegung von Steuerlisten, Personenlisten (Seelenlisten)
, Überwachung der Zehnten, Finanzüberwachung, Überwachung der Waldungen, u.a.. Zahlreiche Schriftstücke der umliegenden Dörfer sind auf Reichenberg ausgestellt und beurkundet worden.
1453
Graf Philipp von Katzenelnbogen erteilt seinem Landschreiber zu Hohenstein und seinem Kellner Letsche zu Reichenberg auf Grund der Abrechnungen Entlastung. Die Stellung des Landschreibers lag über der des Kellners.
1479/80
Nach dem Tode des letzten Katzenelnbogener Grafen, Philipp d. Ä., beginnt auf dem Territorium der ehemaligen Niedergrafschaft die Hessische Herrschaft
unter dessen Schwiegersohn Heinrich III von Hessen. Er funktioniert die aus Katzenelnbogener Zeit bestehenden Kellereibezirke um in Ämter und setzt zu deren Verwaltung Amtmänner ein. Burg Reichenberg wird für vier Jahrhunderte Verwaltungssitz hessischer Amtmänner.
Die Bedeutung der Burg als zeitweiser Wohn- und Aufenthaltsort einer Grafenfamilie mit Bediensteten, Knechten und Mägden, Abhaltung von Feiern und Festen, wenn Jagdgesellschaften in der Burg weilten, gehört der Vergangenheit an.
1480
Im Marburger Archiv befindet sich eine Übersicht der Einnahmen aus der Niedergrafschaft vom Jahre 1480. Darin ist Reichenberg als Amt mit den Orten Ruppertshofen, Bachheim, Zorn, Diethardt, Lierschied und Reitzenhain verzeichnet.
1534
Landgraf Phillip von Hessen will das Amt Reichenberg, das Thal
(Dorf) und Schloss, an Dietrich vom Stein verkaufen mit allen Herrlichkeiten
(Vogteien, Wildbann, Fischerei, Zinsen, Kirchsätzen, Höfen, Beden, Steuern, Korngülten, Weizengülten, Pfenniggülten, Gerichten, Äckern, Wiesen, Wäldern, Wasser und Weiden). Mit dem Erlös will er einen Feldzug gegen Württemberg teilweise finanzieren. Dietrich vom Stein fehlen aber die Finanzmittel, und so kommt der Verkauf von Reichenberg nicht zustande.
1536
Im Mann- und Dienerbuch Philipps des Großmütigen werden zum Amt Reichenberg
als zugehörig aufgeführt:
Lautert, Ober- und Niederwallmenach, Reitzenhain, Auel,
Nochern, Weyer, Ruppertshofen, Bogel, Himmighofen,
Pissighofen, Pohl, Bettendorf, Lollschied,
Ober- und Niedertiefenbach, Nastätten, Ölsberg und Buch
Zeitraum | Amtmänner |
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Amtmänner auf Burg Reichenberg | |
1553-1577 | Hensel Wiederholt |
1579-1590 | Reinhard Wiederholt als Amtskellner auf Reichenberg. Er wurde auf dem Friedhof an der Kirche zu Patersberg (Pfarrkirche für Patersberg und Reichenberg) begraben. Die Grabplatte ist heute im Innern der Kirche angebracht. |
1591-1608 | Konrad Winter |
1609-1624 | Hans Heinrich Loskandt |
Aus dem Jahre 1614 liegt eine ausführliche Grenzbeschreibung des Reichenberger Amtes (Ampt) im Marburger Kammerarchiv vor.
"Designation der mahll, stein und uffworffenn des ampts Reichenbergk, wo daßelbigk ann unnd außgehet unnd wohin es grentzet, de anno etc. 1614"
... "Dieses ampt fengt an uff der hoehe disseyts Offenthall am landgraben, durch denselben herunder, der Goebelsborner bach nach, dahe doch die wiesen jenseyt der bach zum hause gehörigk unnd im burgkfriedden begriffenn werden, biß uff die bruckh bey der Lirschieder muhll, davonn dannen die bach hinunder biß ann einen weinbergk, der Caderich genandt, bey der Haßenmühl hin, so weitt in Rein als einr mit einem gaull reitten unnd mitt einem langen spieß reichen kan, vom Rein heruf nach Nochern zue biß uff die platt, da stehet ein stein."
Ausführlich (bei Sponheimer fünf kleingedruckte Seiten) wird der Grenzverlauf zu Nochern, Wellmich, Gemmerich, Pissighofen, Himmighofen, Miehlen (Mihlener hoffackher die unnderst forch)
, Marienfels, Nastätten (Nasteder wegk)
, Diethardt, Lautert, Oberwallmenach hinter der Alttenburgk herumb biß zur Heppenmühll
beschrieben und durch zahlreiche Hinweise (mahll)
wie Steine, Bäume, Hecken, Bäche, Flurnamen und Wege erklärt.
"... vonn dero Hepenmuhl die bach hinunder biß uff dene stein, welcher Hessen und Pfaltz unnderscheidet. Forthinn an das Bornecher gebückh zue unnd biß an dene landgraben, dahe man fornen angefangen."
Zeitraum | Amtmänner |
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Weitere Amtmänner | |
1628-1634 | Tilemann Regensdorf |
1636 | Daniel Schmalkalden. Von ihm berichtet Pfarrer Plebanus in seinem Tagebuch. |
1636 | Causen |
1639 | Philipp Balthasar Schmoll |
1647 | Daniel Strupp von Gelnhausen, Verteidiger der Burg bei der Belagerung im Familienstreit der Hessen (s. Burg) |
1649 | Helferich Ruppel |
1657 | Jacob Frey |
1660 | Sebastian Kaiser |
1672 | Herrmann Cappius |
1674 | Johann Brenner |
1709 | F. Evers |
1718
Die Amtmannsstelle geht an Franz Moses von Brenner
als landgräfliches Erblehen von Reichenberg
über. Er nimmt zwar Rechte und Vorteile wahr, unternimmt aber nichts gegen den Zerfall der Burg.
1748
Herabstürzende Mauerteile des 'hohen Baues' zertrümmern die bisherige Amtsstube in der Wohnung des Amtmannes (Burghof).
Als in Nastätten eine Oberschultheißerei mit Zustimmung der Rheinfelser Kanzlei entsteht und sie als Zwischeninstanz Justiz- und Gefälleverwaltung an sich reißt, sieht sich Herr von Brenner in seinen Rechten geschmälert und geschädigt. In langwierigen Prozessen entscheidet 1759 das Reichskammergericht zugunsten der Regelung der Kanzlei auf Rheinfels. Erst 1795 nimmt der Streit ein Ende, als der letzte von Brenner auf Grund eines Reichskammergerichtsurteils Burg und Amt Reichenberg verlässt. Fortan wird das Amt Reichenberg bis zur französischen Occupation 1806 von einem hessischen Amtsverwalter versehen.
1806
Als Bestandteil des Kurfürstentums Hessen-Kassel kommt der rechtsrheinische Teil der ehemaligen Niedergrafschaft, und damit auch Reichenberg
, unter französische Verwaltung
. Als Bestandteil der hessischen Niedergrafschaft auf der rechten Rheinseite wird es vom 20. November 1806 bis zum 1. November 1813 dem französischen Präfekten Pietsch
vom Departement Donnersberg
unterstellt, unter dem die alten Behörden von Langenschwalbach weiterarbeiten.
1813
Nach Auflösung der französischen Verwaltung (Blüchers Rheinübergang in der Neujahrsnacht 1813/14 in Verfolgung der französischen Armee) übernimmt Hessen für zwei Jahre wieder die Verwaltung. Im Vertrag vom 31. Mai 1815 zwischen Hessen und Nassau, versprach Preußen in einem Nebenartikel, falls es von Hessen-Kassel die Niedergrafschaft abgetreten erhielte, wolle Preußen den rechtsrheinischen Teil gegen einen Teil des Fürstentums Siegen wiederum an Nassau vertauschen.
1815/16
Die Neuordnung Europas auf dem Wiener Kongress reicht bis in kleinste Provinzen. Die Vereinbarungen zwischen Preußen, Hessen und Nassau kommen zum Tragen. Reichenberg gehört von nun an zum Herzogtum Nassau. Das hessische Amt Reichenberg
wird aufgelöst
und kommt mit 26 Orten zum Herzoglich-Nassauischen Amt St. Goarshausen.
Als 1866 das Herzogtum Nassau zu den Verlierern gehört, kommt es zum Königreich Preußen. Nach 50 Jahren bedeutender kulturgeschichtlicher Ereignisse und Entwicklungen gehört diese Epoche zwar der Vergangenheit an, wirkt sich aber in vielen sozialen, gesellschaftlichen und politischen Bereichen bis heute noch aus.
Trotz Burg, trotz Verleihung der Stadtrechte und trotz Verwaltungssitz eines Amtmannes mit entsprechenden Bediensteten über vierhundert Jahre, ist in der Enge des Tales keine größere Ansiedlung entstanden.